Die Elektrofahrzeug-Revolution, die von der Notwendigkeit angetrieben wird, den Individualverkehr zu dekarbonisieren und die Luftqualität in den städtischen Zentren zu verbessern, wird nicht nur die Automobilindustrie radikal verändern. Auch die dazugehörige Batterie- und letztlich auch die Abfall- und Recyclingindustrie stehen vor grundlegenden Veränderungen. Dabei spielt eine Kategorie von Batterien aufgrund ihrer Energiespeicherkapazität und ihres geringen Gewichts eine zunehmend zentrale Rolle: Lithium-Ionen-Batterien (LIBs, auch als Lithium-Ionen-Akku bezeichnet). Grundsätzlich bestehen die einzelnen kleinen Batteriezellen einer LIB aus leitfähigen Aluminium- oder Kupferschichten. Dazwischen befinden sich eine Anode, meist aus Grafit, sowie eine Kathode, welche sich in ihrer Zusammensetzung je nach Technologie stark unterscheidet: Während aktuell noch viele Lithium-Eisenphosphat Batterien und Lithium-Nickel-Kobalt-Aluminium-Batterien genutzt werden, wird in Zukunft vor allem die Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Technologie in verschiedenen Zusammensetzungen zum Einsatz kommen. Folglich werden insbesondere Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Grafit als wichtige Batterie Rohstoffe eine zunehmend entscheidende Rolle auf dem globalen Rohstoffmarkt einnehmen. Bisher wurden die meisten LIBs im Bereich der Unterhaltungselektronik verkauft, der zukünftige Absatz wird jedoch zunehmend von Elektrofahrzeugen angetrieben werden.
Bereits 2017 haben schätzungsweise eine Million LIBs etwa sechs Prozent der Gesamtnachfrage nach Kobalt und neun Prozent der Gesamtnachfrage nach Lithium ausgemacht. Besonders sichtbar ist diese Entwicklung in China, wo laut Bloomberg New Energy Finance bereits 2019 über 73 Prozent der weltweiten Produktionskapazität für Lithiumzellen vorhanden war, gefolgt von den USA, die mit 12 Prozent der weltweiten Kapazität an zweiter Stelle liegen. Die weltweite Nachfrage nach Batterien wird bis 2030 um das 14-fache ansteigen und die EU könnte 17 Prozent dieser Nachfrage abdecken. Darüber hinaus wird das exponentielle globale Wachstum der Nachfrage nach Batterien zu einem entsprechenden Anstieg der Nachfrage nach Rohstoffen, insbesondere Kobalt, Lithium, Nickel und Mangan, führen, was erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben wird.
Die zunehmende Verwendung von Batterien wird auch zu einem Anstieg der Abfallmengen führen. Es wird erwartet, dass die Anzahl der recycelbaren Lithiumbatterien zwischen 2020 und 2040 um das 700-fache ansteigen wird. Ein geeignetes wirtschaftliches System für die Entsorgung von Elektroaltgeräten und LIB Abfall aufzubauen, scheint daher unabdingbar.
Großer Nutzen und große Herausforderungen: Recycling von LIBs
Generell muss beim Recycling von Batterien zwischen der reinen Wiederverwendung und der Extraktion von Rohstoffen unterschieden werden. Nach der primären Verwendung beispielsweise in Elektrofahrzeugen werden gebrauchte Batterien voraussichtlich 60 bis 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität behalten, was eine Wiederverwendung in anderen Anwendungen wie der Netzspeicherung möglich macht. Verfügen die Batterien jedoch über keinen Nutzen mehr, müssen diese entsorgt und bestenfalls recycelt werden. Das Recycling von LIBs ist ein vergleichsweise komplexer und zum Teil sehr energieintensiver Prozess. Einer Studie von McKinsey&Company zufolge, befasst sich die Industrie derzeit hauptsächlich mit der Entsorgung potenziell gefährlicher gebrauchter Unterhaltungselektronikprodukte, anstatt die Materialien zur Wiederverwendung zu extrahieren. Mit heutigen Recyclingverfahren können bei Aktivmaterialien bisher lediglich Kobalt, Nickel und teilweise Mangan wirtschaftlich zurückgewonnen werden. McKinsey&Company schätzen, dass im Jahr 2017 12 bis 15 Kilotonnen Kobalt und nahezu kein Lithium aus dem Recycling zurückgewonnen wurden. Lithium wird bisher nur in experimentellen Pilotanlagen extrahiert und verbleibt bei bisherigen Anlagen meist in der Schlacke zurück.
Ein wichtiger Faktor bei der Wirtschaftlichkeit des Recyclings von Lithium, Nickel, Kobalt und gegebenenfalls Mangan ist, dass die Materialien weiterhin mit relativ hohen Anteilen in den Zellchemien verbaut werden. Ändert sich die Zusammensetzung und der Anteil der Materialien in Zukunft, so könnte auch hier Recycling unwirtschaftlich werden. In existierenden Pilotanlagen werden LIBs zunächst aufwendig manuell entladen, demontiert und dann entweder pyrometallurgisch (Schmelzen und Extrahieren) oder hydrometallurgisch (Auslaugen und Extrahieren) aufbereitet. Bei der thermischen Behandlung kann Lithium beispielsweise aus der späteren Schlacke gewaschen oder aus Rauchgasanlagen zurückgewonnen werden. Beim hydrometallurgischen Prozess hingegen werden Materialien mit Säuren und Laugen behandelt und so voneinander getrennt. Aufgrund der energieintensiven Natur pyrometallurgischer Verfahren ist es wahrscheinlicher, dass der hydrometallurgische Prozess zukünftig weiterentwickelt wird. Doch trotz des bisher noch aufwendigen Recyclingprozesses dürften die europäischen Staaten ein großes Interesse an einer schnellen Entwicklung haben: Einige Studien weisen darauf hin, dass Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor während der Produktion mehr und während der Nutzungsphase weniger Treibhausgase emittieren. Daher wird die Reduzierung der Emissionen bei der Herstellung eines der Hauptanliegen sein, um die Emissionsvorteile der Elektromobilität zu nutzen. Dabei wird die Verwendung von recycelten Materialien als eine entscheidende Methode angesehen. Tatsächlich kann laut einer Studie der Tsinghua University das Recycling von Elektrofahrzeugen dazu beitragen, etwa 35 Prozent des Energieverbrauchs und der Treibhausgas-Emissionen während der Herstellungsphase zu reduzieren. Falsche Lagerung und Entsorgung können im Falle der LIBs zudem nicht nur ein Verlust wichtiger Rohstoffe, sondern auch Umweltverschmutzung und Gesundheitsrisiken bedeuten.
Doch nicht nur die Umwelt- und Gesundheitsrisiken gewinnen zunehmend an Relevanz. Durch die starke globale Nachfrage nach notwendigen Rohstoffen kann es auch zu Versorgungsengpässen kommen. Unterbrechungen in der Versorgungskette von Rohstoffen können die Materialkosten in die Höhe treiben und damit den Nutzen von Lerneffekten bei der Senkung von Batteriepreisen schmälern. Dies war bereits Ende 2018 der Fall, als der Kobaltpreis innerhalb von 15 Monaten auf mehr als das Vierfache des Preises anstieg, was zum Teil auf die steigende Nachfrage und zum Teil auf die politische Instabilität beim größten Kobaltproduzenten – der Demokratischen Republik Kongo – zurückzuführen ist. Obwohl der Kobaltpreis seither gesunken ist, besteht die Besorgnis über Versorgungsengpässe und Volatilität der Rohstoffpreise nach wie vor. Somit stellt Recycling eine Möglichkeit dar, sowohl Lieferrisiken als auch negative Externalitäten bei der Produktion sowie späteren Extraktion von kritischen Elementen zu reduzieren.
Teile dieses Artikels wurden von Florian Schmitz (Junior policy officer, EAC) bereits im Econet Monitor Magazin der German Industry & Commerce Greater China/AHK Greater China Beijing veröffentlicht.
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