Diskutiert man heute mit Verbraucherinnen und Verbrauchern über die praktische Umsetzung von Elektromobilität kommt man eher früher als später auf das bestehende Problem der Ladeinfrastruktur und auch des Ladevorgangs zu sprechen. Jene Verbraucherinnen und Verbraucher, die bereits ein Elektrofahrzeug besitzen kritisieren vor allem eines: das Bezahlsystem. Der klare Appell: Es muss schnell einfacher werden, ohne Vertrag, ohne Ladekarte oder Smartphone-Anwendung eines Betreibers an einer öffentlich zugänglichen Ladesäule Strom zu tanken und zu bezahlen.
Dieses Ziel sollte eigentlich die Novelle der deutschen Ladesäulenverordnung erreichen, an der die deutsche Bundesregierung schon länger arbeitet und bereits in der zweiten Mai-Woche verabschiedet werden soll. Hintergrund ist Paragraf 4 der novellierten Ladesäulenverordnung in der Fassung für die Kabinettsabstimmung. Er sieht vor, dass neu in Betrieb genommene Ladesäulen von Juli 2023 an spontanen Stromtankern zwei Bezahlmöglichkeiten bieten: einen bargeldlosen Bezahlvorgang über internetbasierte Bezahldienstleister und zusätzlich kontaktloses Zahlen mit Debit- oder Kreditkarten, wie es inzwischen auch an Supermarktkassen oder im Einzelhandel möglich ist – wobei Verbraucher entsprechende Karten vor ein Lesegerät halten. Die bisherige Verordnung stellt es Ladesäulenbetreibern dagegen frei, ob sie ausschließlich internetbasierte Bezahlmethoden anbieten oder auch Kartenzahlungen akzeptieren. Diese Vorgabe stößt bei Wirtschaftsverbänden auf breite Kritik: So kritisierten erst kürzlich der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), dass diese Vorgabe den Ausbau des Ladenetzes um Jahre zurückwerfen und erheblich verteuern würde. Die Säulen würden damit erheblich im Preis steigen, was letztlich auch auf Kundinnen und Kunden umgelegt werden müsste. Stattdessen machen sich die Verbände für mobiles Bezahlen per Smartphone stark. Das sei benutzerfreundlich, zukunftsfähig und europäisch anschlussfähig. Dies war im September von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Verkehrsminister Andreas Scheuer in Rücksprache mit Wirtschaftsvertretern auch so vereinbart worden. Doch diese gemeinsame Linie wurde nun schlicht aufgekündigt. Der deutsche Automobilclub ADAC vertritt hingegen eher die aktuelle Position der Bundesregierung: Nach Auffassung des Automobilclubs seien die von den Betreibern angebotenen Lösungen mittels QR-Code-Scan und App-Downloads unnötig kompliziert oder funktionierten oft nicht zuverlässig. Daneben seien die Spontan-Tarife meist deutlich teurer als das Laden mit einem Vertrag. So müssten E- Autofahrerinnen und E-Autofahrer in einem undurchsichtigen Tarifdschungel aus knapp 400 Tarifen, nach günstigen Angeboten suchen und Ladeverträge abschließen. Deshalb müsse es nicht nur eine bessere Preistransparenz an den Ladesäulen geben, sondern auch ein einfaches Bezahlen mittels Giro- und Kreditkarten an Kartenlesegeräten.
Und Europa? Auch wenn es nur um deutsche Regulierungen und Vorgaben geht, hat diese Diskussion auch eine erhebliche europäische Dimension, die kaum Beachtung findet. Bereits national stehen Verbraucherinnen und Verbraucher vor enormen Herausforderungen beim Laden, wie die Diskussion veranschaulicht. Noch viel komplizierter wird es jedoch, wenn man europäisch reisen mit einem E-Fahrzeug reisen möchte. Die besten nationalen Systeme und Vereinheitlichungen bringen nichts, wenn sie nicht europäisch gedacht werden. Es braucht keine nationalen Alleingänge, sondern verbindliche europäische Vorgaben, dass Anbieter dazu verpflichtet Ladesysteme kompatibel und anschlussfähig zu machen. Nur wenn der Ladevorgang so einfach wie das Tanken von Verbrennern wird, wird Elektromobilität in Europa funktionieren. Giro- und Kreditkarten sind global anerkannte und weit verbreitete Zahlungsmittel, die durch neue Ansätze, wie der Nutzung der NFC-Schnittstelle am Smartphone (z. B. bei Google Pay oder Apple Pay) auch noch viele Jahre oder Jahrzehnte vorhanden sein werden. Was es braucht ist ein Mix aus jetzt verfügbaren, funktionierenden Lösungen und Lösungen, die auf lange Sicht zukunftsfähig sind. Da europäisch reisende Verbraucherinnen und Verbraucher eher selten vorab Verträge abschließen, muss zudem sichergestellt sein, dass Ladepreise für Spontanlader nicht unangemessen höher sind als mit Ladevertrag. Höhere Preise würden dann vor allem ausländische Fahrerinnen und Fahrer diskriminieren.
ERH-Sonderbericht über „Elektrische Ladeinfrastruktur“ In einem kürzlich veröffentlichten Sonderbericht zur elektrischen Ladeinfrastruktur in Europa, stellte der Europäischen Rechnungshof (ERH) fest, dass die EU noch weit davon entfernt ist, ihr Ziel von 1 Million Ladepunkten bis 2025 zu erreichen. Es fehle ein übergreifender strategischer Fahrplan für die E-Mobilität. Ziel der Prüfung war es, die Wirksamkeit der Unterstützung der Kommission für den Aufbau einer EU-weiten öffentlich zugänglichen Infrastruktur zum Laden von Elektrofahrzeugen zu ermitteln.
Der ERH stellte fest, dass trotz Erfolgen wie der Förderung einer gemeinsamen EU-Steckernorm und der Verbesserung des Zugangs zu verschiedenen Ladenetzen weiterhin Hindernisse für die Fahrt mit Elektrofahrzeugen in der EU bestehen. Die Verfügbarkeit von Ladestationen variiert von Land zu Land, die Bezahlsysteme sind nicht mit Mindestanforderungen harmonisiert und es gibt unzureichende Informationen für die Nutzer. In Ermangelung einer umfassenden Analyse der Infrastrukturlücke war die Kommission nicht in der Lage, sicherzustellen, dass die EU- Finanzierung dort ankommt, wo sie am dringendsten benötigt wird. Die EU ist noch weit von ihrem Green-Deal-Ziel von 1 Million Ladepunkten bis 2025 entfernt, und es fehlt ein übergreifender strategischer Fahrplan für Elektromobilität.
Weiterführende Links: ▪ FAZ: Einfacher zahlen an der Ladesäule
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